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Die beste Hand-Zahnbürste der Welt

Tilman Flechsig • Juni 09, 2021

"Einer der größten Irrtümer ist es, mehrere Zähne auf einmal bürsten zu können."
Prof. Dr. Jiri Sedelmayer, 1946-2019

Klassische Zahnbürsten erinnern uns in ihrer Grundform an eine Schuhputzbürste mit Stiel. Schuhputzbürsten sind selbstverständlich kleiner als ein Schuh. Wir umfahren den Schuh mit kreisenden Bewegungen der Bürste von allen Seiten. 

Erstaunlicherweise stört sich niemand daran, das eine handelsübliche Zahnbürste  deutlich größer ist als ein Zahn.

Niemand würde beim Schuhe putzen auf die Idee kommen, die im Flur aufgereihten Schuhe auf dem Boden stehen zu lassen und sie alle zusammen mit einem großen Besen zu putzen. 

Wir nehmen wie selbstverständlich jeden Schuh einzeln in die Hand und verwenden eine Bürste, die deutlich kleiner als ein Besen ist.



Im Mund stoßen unsere Bemühungen, eine relativ einfache Aufgabe wie das Abbürsten eines klebigen Zahnbelages zu bewältigen, auf eine Reihe von Hindernissen: Es herrscht relative Dunkelheit, die Zähne stehen eng und manchmal verschachtelt im Halbkreis umeinander, Zunge und Wange engen unsere Bewegungsmöglichkeiten ein und nicht zuletzt sind die zu putzenden Objekte sehr klein und unregelmäßig geformt.

Warum um alles in der Welt versuchen wir also, gerade bei diesen schwierigen Verhältnissen, mit einer viel zu großen Bürste ein ordentliches Ergebnis zu erzielen?

Die Antwort ist:

Es gibt so viele Zähne im Mund.

Das Bürsten mit einer großen Bürste ist scheinbar effizient.

Wir sehen nicht, wie schlecht das Putz-Ergebnis ist.

 



Das Paradox der klassischen Zahnbürste

Das Paradox der klassischen Zahnbürste ist: 

  • Das Borstenprofil passt nicht auf die komplexen Zahnoberflächen.
  • Die Borsten müssen sich beim Bürsten auf der Oberfläche bewegen können, ohne den Kontakt mit ihr zu verlieren und ohne zu viel Druck auszuüben. 
  • Die Borsten müssen auch in die kleinen Nischen zwischen den Zähnen und in den feinen Graben zwischen Zahnfleisch und Zahn  eindringen können, ohne Verletzungen hervorzurufen.

Um dennoch Zähne erfolgreich reinigen zu können, müssen sich die Borsten an die Oberfläche der Zähne "anpassen".


Bei der Entwicklung hochwertiger Zahnbürsten werden von den Herstellern dabei drei Wege beschritten:

  • Die Zahnbürsten verfügen heutzutage über dünne und weiche Polyamid- oder Polyester-Borsten, die sich bei leichtem Druck  biegen und sich auch bei einem planen Borstenfeld beliebigen Oberflächen anpassen können.
  • Der Zahnbürstenkopf kann über eine spezielle Anordnung der Borsten verfügen, die dem Relief der Zähne im Mund  leichter folgen kann.
  • Der Zahnbürstenkopf kann verkleinert werden.

Wichtig: Erst eine zu der Bürste passende Zahnputztechnik optimiert das Ergebnis.


Die Versuche einiger Hersteller, auch mit großen, effizienten Bürsten ein gutes Putzergebnis ohne Beschädigung von Zähnen und Zahnfleisch zu erzielen, haben zur Entwicklung einer Vielzahl von bizarren Borstenfeldern geführt: 

Gekreuzte Borsten, Wellenschliff, eine Kombination langer und kurzer Borsten, eine Kombination weicher und harter Borsten, ein Bürstenhals mit Stoßdämpfer, Gumminoppen zur Zahnfleischmassage - der Fantasie scheinen keine Grenzen gesetzt.

Leider ist es bisher noch nicht gelungen, einen Bürstenkopf zu entwickeln, der unabhängig von der Putztechnik ein überlegenes Putzergebnis garantiert. Es existieren keine wissenschaftlichen Studien, die den Vorteil dieser speziellen "Designs" belegen würden. Das Design der Zahnbürsten scheint oft mehr davon geprägt zu sein, den Kunden optisch zu beeindrucken, als eine sinnvolle und wissenschaftlich nachprüfbare Funktion zu erfüllen. Die meisten handelsüblichen Bürsten sind deutlich zu groß.


Wir sollten deshalb lieber die bewährten Prinzipien des Schuhe-Putzens nutzen:


  • Jeder Zahn sollte einzeln geputzt werden.
  • Der Bürstenkopf hierfür muss kleiner als ein Zahn sein.
  • Der Bürstenstiel muss so konstruiert sein, dass der Bürstenkopf leicht an alle Zahnflächen (auch die Innenseiten!)  heran geführt werden kann.
  • Die Bürste insgesamt muss grazil sein, um sich relativ frei bewegen können, damit das Borstenfeld die Zahnoberfläche mit kreisenden oder wischenden Bewegungen abfahren kann.


Die Lösung des Problems: Die Einzelzahnbürste

Eine einfache Möglichkeit, die Zahnbürste in die Lage zu versetzen, alle freien Zahnoberflächen zu erreichen, ist die Verkleinerung der Borstenfeldes.

Dieses Prinzip wird bei den so genannten Solo-, Single- oder Einzelzahnbürsten umgesetzt.

Damit einher geht deutlicher Gewinn an Reinigungseffizienz in den Nischenbereichen der Zähne bei gleichzeitigem Verlust an Effizienz im Bereich der gut ereichbaren Glattflächen.

Der Verlust an Effizienz im Bereich der Glattflächen ist jedoch fast ohne Bedeutung. Die  Ansammlung  von bakterielle Belägen findet hauptsächlich im Bereich der Nischen statt. Die stark exponierten Glattflächen der Zähne werden durch die Nahrung, insbesondere Fasern und harte kauaktive Bestandteile,  sowie durch den Abrieb von Wangen und Zunge einer Selbstreinigung unterzogen.

Das Kariesgeschehen und die Ansammlung zahnfleischschädigender Bakterien finden gerade in den Nischenbereichen statt, die von großen, klassischen Bürsten schlecht und von Einzelzahnbürsten sehr gut gereinigt werden.


Die Einzelzahnbürste, so unspektakulär sie auch aussieht, ist also wirklich die beste Hand-Zahnbürste der Welt!



Wie erlerne ich die Zahnputztechnik mit einer Einzelzahnbürste?

Auf dem nebenstehenden Bild sehen Sie zwei der besten Einzelzahnbürsten in Aktion, die Curaprox CS 1006 und die CS 1009. Diese von der Firma Curaprox hergestellten Bürsten sind derzeit unsere Favoriten, denn sie sind unserer Meinung nach besonders hochwertig verarbeitet, sehr grazil und ergonomisch gut austariert. Die CS 1009 hat längere Borsten und ist insbesondere für Implantatversorgungen und Patienten mit prothetischen Spezialkonstruktionen oder festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen interessant.


Auch die Firmen TePe, SoloMed, Tandex und andere stellen gute Einbüschelbürsten her. Bei dieser Auswahl wird es jedem gelingen, seine Lieblingsbürste zu finden.


Im Rahmen einer Prophylaxesitzung bekommen Sie ein individuelles Mundhygienetraining.  Hier erlernen Sie die richtige Technik für die Einzelzahnbürste (Solo-Technik) und die idividuellen Herausforderungen in Ihrem Mund kennen. Für die Zahnzwischenräume benötigen Sie allerdings noch ein weiteres Hilsmittel, denn diese Flächen können auch mit der besten Zahnbürste der Welt nicht gereinigt werden. 


Zu guter Letzt...

Das Erlernen einer neuen Zahnputztechnik fällt uns naturgemäß schwer, da wir alle unsere Alltagsroutinen entwickelt haben. Warum ist es dennoch einen Versuch wert, noch einmal etwas Neues zum Thema Mundhygiene zu erlernen?


  • Die Reinigungsergebnisse verbessern sich dramatisch. Insbesondere Menschen mit Zahnbetterkrankungen (Parodontitis), aber auch kariesgefährdete Menschen  profitieren enorm von dieser Technik.
  • Die einmalige tägliche Anwendung, egal zu welcher Uhrzeit, genügt. Nach einer Übungsperiode vor dem Badezimmerspiegel kann man auch "blind" vor dem Fernseher oder während anderer Beschäftigungen putzen. Die Mundhöhle ist die sensibelste Körperregion, unser Tastgefühl kann die Bewegungen der Bürste perfekt steuern.
  • Das Mundgefühl durch die spürbar größere Sauberkeit der Zähne ist so angenehm, dass man es schon bald nicht mehr missen mag. Wer der Unterschied genau erfahren will, macht den Halbseitentest: Eine Seite des Mundes wird in der Einzelzahntechnik, die andere konventionell geputzt. Ich bin sehr sicher, dass Sie den Unterschied mit der Zunge spüren können.


Ich würde mich sehr freuen, wenn noch mehr Menschen die beste Hand-Zahnbürste der Welt kennen lernen würden und Freude an ihr haben.


Bleiben Sie gesund!

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Verwendet unsere Praxis noch Amalgam? Nein. Wir haben in unserer Praxis die Verwendung von Amalgam schon vor über 25 Jahren komplett eingestellt. Bei Kindern und Jugendlichen haben wir es nie verwendet. Im Jahr 2018 hat die EU die Verwendung des Materials bei Schwangeren und Kindern unter 15 Jahren verboten. Nur für diesen kleineren Personenkreis übernimmt die gesetzliche Krankenkasse die höheren Kosten einer Kompositefüllung. Wir bieten in unserer Praxis sowohl kostenfrei als auch kostenpflichtige Alternativen zum Amalgam an. Alle Patienten werden vor der Behandlung über eventuell anfallende Kosten bei der Versorgung mit höherwertigen Materialien informiert. Welche Konsequenzen ein EU-Amalgamverbot für die zukünftige Kostenübernahme von Kompositefüllungen (" Kunststofffüllungen ") durch die Krankenkassen haben wird, können wir derzeit noch nicht abschätzen. Für das Jahr 2024 ändert sich erst einmal nichts.
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Moderne Zahnerhaltung funktioniert . Immer mehr Menschen behalten immer mehr eigene Zähne bis in hohe Lebensalter. Dieser Erfolg wird für Deutschland durch repräsentative Studien bestätigt, zum Beispiel durch die fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V) von 2016. Mehr eigene Zähne im Mund - das ermöglicht Zahnärzten, in weit höherem Maße als früher Zahnersatz anzufertigen, der fest im Mund verankert ist, also Kronen und Brücken anzufertigen, statt wie früher einen herausnehmbaren Zahnersatz herzustellen. Die Lebensqualität der so versorgten Menschen ist höher, der Kaukomfort und die Kauleistung steigen. Dieser Trend wird durch den Einsatz von Zahnimplantaten noch verstärkt, weil diese strategische eingesetzten künstlichen Zahnwurzeln die Möglichkeiten der fest sitzenden Verankerung für Zahnersatz nochmals erweitern. Die Gruppe der Menschen, die zahnlos und mit einer Totalprothese versorgt sind, wird kleiner. Diese erfreuliche Entwicklung hat allerdings auch eine Schattenseite. Wo früher Totalprothesen mit einer "Kukident"-Reinigungstablette über Nacht im Wasserglas auf dem Nachttisch gereinigt werden konnten, müssen nun auch im hohen Alter die eigenen Zähne im Mund gepflegt werden. Mit steigendem Lebensalter treffen zwei Entwicklungen aufeinander: Zum einen steigt mit höherem Alter die Gefahr für Karies gegenüber dem mittleren Alter an. Freiliegende Zahnhälse, vergrößerte Zahnzwischenräume und abgenutzte Schmelzareale sowie eine geringere Speichelproduktion vergrößern die Anfälligkeit für Karies. Einschränkungen bei der Mundhygiene (Beweglichkeit von Schulter, Arm und Fingern, Sehschärfe etc.) begünstigen die Entstehung schädlicher Bakterienbeläge auf den Zahnoberflächen. In besonderem Maße sind Menschen gefährdet, die pflegebedürftig sind und noch eigene Zähne haben. Hier vergrößert sich der allgemeine Pflegebedarf durch die technisch herausfordernde Pflege der Zähne noch einmal deutlich. Und gerade in diesem Bereich gibt es zur Zeit noch die größten Defizite sowie einen hohen Informationsbedarf. Für Angehörige und Pflegende gibt es seit eine sehr informative Informations- und Lernplattform im Internet: https://mund-pflege.net/ Auf dieser vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Plattform werden eine Vielzahl von Informationen und praktische Tipps gegeben. Die Kapitel sind durchgehend bebildert, frei von Werbung und gut verständlich. Ein Blick auf diese Seite lohnt sich für jeden!
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