Süßstoff Neotam - der nächste Problemfall?
Über die grundsätzlichen Unterschiede zwischen Zuckern, Zuckeraustauschstoffen und Süßstoffen haben wir in unserem Blog "Sinnvoller Umgang mit Süßungsmitteln" bereits berichtet. Darin ist auch die problematische Bewertung des Zuckeraustauschstoffes "Erythrit" nach neuen Studienergebnissen erwähnt worden. Sie finden ihn hier im Blogbereich, wenn Sie "show more" anklicken.
Zusatzstoffe in Nahrungsmitteln können grundsätzlich problematisch sein, weil unser Körper und seine natürliche Bakterienausstattung möglicherweise nicht in der Lage sind, sie zu tolerieren, schadlos auszuscheiden oder schadlos zu verstoffwechseln. Einige dieser Stoffe kommen auch natürlich in Pflanzen vor (z. B.: die Zuckeralkohole), werden aber in höheren Mengen der Nahrung zugesetzt. Andere (insbesondere die synthetischen Süßstoffe) kommen in der Natur (vermutlich) nicht vor. Schon bei der Zulassung von neuen Stoffen müssen diese also entsprechend untersucht werden. Allerdings werden diese Stoffe auch nach der Zulassung weiterhin erforscht. Eine dieser Studien hat sich nun mit einem "Newcomer" unter den Süßstoffen befasst: Es geht um den relativ neuen synthetischen Süßstoff Neotam.
Der Süßstoff Neotam ist seit 2009 unter der Nummer E961 in der EU zugelassen. Seine Süßkraft beträgt das 7000-13.000fache einer vergleichbaren Menge Haushaltszucker (Saccharose). Er wird als Süßstoff und Geschmacksverstärker in Limonaden, Kaugummis und Bonbons verwendet. Da er keine Auswirkungen auf den Insulin- und Blutzuckerspiegel hat, ist er grundsätzlich für Diabetiker geeignet.
Die neue Studie (s. u.) hat die Diskussion über Neotam neu angefacht. In dieser "in-vitro-Studie" (nicht an Lebewesen) wurde gezeigt, das Neotam Darmzellen direkt und indirekt über eine Veränderung der Bakterien schädigen kann. Allerdings ist dies keine Beobachtung am Menschen, sondern ein Vorgang quasi "im Reagenzglas", bei dem isolierte Zellen und zwei Bakterienstämme 24 Stunden lang dem Süßstoff Neotam ausgesetzt wurden. Diese lange Verweildauer ist im Menschen eher unrealistisch, sofern süßstoffhaltige Speisen nicht permanent konsumiert werden.
Die Ergebnisse der Studie können ein Hinweis darauf sein, das dieser Süßstoff das Darmepithel direkt oder durch Veränderung von Darmbakterien schädigen könnte. Schäden an den Epithelzellen der Darmwand führen zu einer erhöhten Durchlässigkeit der Darmwand, wodurch wiederum Stoffe aus dem Darm "ungefiltert" in den Körper eindringen und Entzündungen auslösen können.
Die Studie kann eingesehen werden:
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2024.1366409/full
Von seiten der Lebensmittelindustrie wird darauf verwiesen, dass das Studiendesign keine Aussagen über die tatsächlichen Verhältnisse zulässt.
Informationen zu Neotam vom Lebensmittelchemischen Institut des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie
https://www.lci-koeln.de/deutsch/veroeffentlichungen/lci-focus/neue-suessstoffe-im-fokus-
Ist es sinnvoll, verschiedene Süßstoffe zu kombinieren, um die Einzelmengen gering zu halten?
In manchen Produkten werden verschiedene Süßstoffe kombiniert, um den Geschmack "abzurunden" bzw. einen störenden Eigengeschmack einzelner Süßstoffe, der bei höherer Dosierung auftritt, zu vermeiden. Ob Mischungen kleiner Süßstoffdosen verträglicher als höhere Dosen eines einzelnen Süßstoffes sind, ist derzeit unklar. Das Bundesinstitut für Risikobewertung kann zur Problematik des kombinierten Konsums verschiedener Süßstoffe derzeit keine klaren Aussagen machen, da die Datenlage derzeit noch sehr dünn ist. Es kann derzeit nicht abgeschätzt werden, ob der gleichzeitige Konsum verschiedener Süßstoffe zu einer Addition bedenklicher Wirkungen führt. Aus diesem Grund kann nicht empfohlen werden, hohe Gesamtmengen an Süßstoff unter Nutzung kleinerer Mengen verschiedener Süßstoffe zu konsumieren.
https://www.bfr.bund.de/cm/343/fuehren-mischungen-mehrerer-suessungsmittel-zu-gesundheitlichen-risiken-fuer-den-menschen.pdf
Welche Empfehlungen kann man derzeit zu Süßstoffen aussprechen?
- Grundsätzlich sollten wir versuchen, unsere Geschmacksnerven auf "weniger süß" zu trainieren. Unser Körper, dessen genetische Ausstattung viel älter als unsere heutigen Ernährungsgewohnheiten ist, braucht eigentlich keinen (Haushalts-) Zucker. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt unter 25 g Zucker am Tag. Das sind nur etwa 8 bis 9 Zuckerwürfel! Also: Nach einem Glas Cola (200 ml = 7 Zuckerwürfel) wäre Schluss. Hierbei wird oft vergessen, wie viel versteckte Zucker in Konserven und Fertiglebensmitteln stecken. Allein durch diese Produkte überschreiten wir in der Regel die 25-Gramm-Grenze deutlich, der derzeitige durchschnittliche Verbrauch liegt in Deutschland bei ca. 100 Gramm Zucker.
- Es kann sinnvoll sein, Zuckeraustauschstoffe oder Süßstoffe in sehr begrenzten Mengen als Zusatz für Kaugummi oder zuckerfreie Hustenbonbons einzusetzen, weil diese dann "zahngesund" sind. Es ist bei der geringen Verbrauchsmenge völlig unproblematisch, in diesen Produkten Süßstoff einzusetzen. Allerdings bietet sich hier auch der Zuckeraustauschstoff Xylit (Birkenzucker) an, der unbedenklich ist.
- Keinesfalls sollten diese Stoffe dazu verwendet werden, in großem Maße gesüßten Speisen zu sich zu nehmen. Insbesondere sollten gesüßte Getränke, egal ob zucker- oder süßstoffhaltig, vermieden werden. Das Argument, "Light-Getränke mit Süßstoffmischungen" würden Kalorien einsparen, würde nur für Menschen gelten, die bisher zuckerhaltige Getränke in großer Menge konsumieren und die sich in einer Entwöhnungsphase befinden.
- Die problematischen Eigenschaften des Neotam (Veränderung der Darmflora, mögliche Auswirkungen auf das Hungergefühl, möglicher Einfluss auf die Darmzellen) gelten auch für eine Reihe anderer Süßstoffe. Süßstoffe sollten also nicht Bestandteil einer dauerhaften Diät sein und nur in wenigen Ausnahmefällen konsumiert werden.






